Deep dive: Mit Theorie U und der Spirituellen Intelligenz Veränderungsprozesse in eine neue Dimension bringen.
Die Tage las ich in der Vorbereitung auf einen Kurs, den ich in Kürze gebe, ganz viele Rückmeldungen der Teilnehmenden zum Thema Veränderungsprozesse, in dem Fall im Raum Kirche. Was wirklich auffiel: es kam so eine Schwere rüber in den Rückmeldungen. Ein Suchen und Ringen nach Möglichkeiten, überhaupt etwas zu bewirken.
Kommt Ihnen das vertraut vor?
- Ich würde gerne, weiß aber nicht wie
- Ich habe so gar keine Idee, wohin die Reise gehen kann
- Ich stoße auf so viel Widerstand mit meinen Ideen
- Einwände wie: „Das haben wir ja alles schon versucht, das bringt sowieso nichts“, lähmen mich total.
- Und das Schlimmste: sich so ohnmächtig fühlen, irgendwas zu bewegen.
Ja, die Herausforderungen, insbesondere komplexe Veränderungsprozesse auf den Weg zu bringen, sind riesig.
Das erlebe ich immer wieder bei der Fusion von Kirchengemeinden. Und es gibt auch Hindernisse, insbesondere im Strukturbereich von Organisationen, welche scheinbar unüberwindbar sind. Aber das ist eben nur ein Bereich eines größeren Feldes.
Neben den großen Strukturfragen gibt es eben auch den großen Bereich des Individuellen, meine eigenen Gedanken, meine Gefühle, meine Fähigkeiten, meine Art wie ich mit Ungewohntem umgehe, meine Erfahrungshorizonte … Die integrale Landkarte von Ken Wilber macht deutlich, wie viel mehr an Perspektiven zu einem Veränderungsprozess gehören. Es sind eben nicht nur Strukturfragen. Es gibt auch die Kultur, ebenso wie die eigenen Einstellungen und Kompetenzen zum Thema.
Und genau in diesem individuellen Bereich sind wir selber so viel machtvoller, als wir oftmals denken.
Denn wir bestimmen, wie wir eine Situation anschauen und bewerten. Wir bestimmen, ob wir aus Angst vor dem Unbekannten uns schnell auf die nächstliegende Lösung stürzen. Oder ob wir uns die Zeit nehmen, dieses Nicht-Wissen auszuhalten, damit das Neue sich entwickeln kann. Wir bestimmen, ob wir uns einfangen lassen von den Emotionen, wenn wir auf Widerstand stoßen. Oder ob wir ruhig und gelassen in Gespräche gehen mit der Neugier, was andere beizutragen haben zum Prozess.
Von Otto Scharmer stammt der inzwischen schon recht bekannte U-Prozess. Er beschreibt die Idealform, wie Prozesse zu Transformationsprozesen werden, und fundamental etwas in die Veränderung bringen. Otto Scharmer formuliert darin 3 Bedingungen, damit Prozesse die nötige Tiefe bekommen können:
open mind – open heart – open will.
Was er damit meint:
- Open mind – wirklich mit einem frischen Geist sich umschauen. Wie machen andere das? Was kann ich von anderen lernen? Welche Gründe haben die Menschen aber bislang auch, es so zu machen, wie sie es machen? Wie läuft es bei uns wirklich? Neugierig sein also.
- Open heart – sein Herz öffnen für die Menschen, für das, was ihnen wichtig ist, für ihre Sorgen und Bedürfnisse. Empathisch zuhören, nicht besser wissen. In einen echten Dialog gehen. Sich berühren lassen von Worten und Menschen.
- Open will – sich und anderen zugestehen, dass tiefgreifende Veränderungen auch Angst machen. Ja sagen zu dem Unbekannten, dem Nicht-Wissen. Ja sagen zu dem Größeren, was entstehen will.
Was mir auffiel, als ich diese drei Bedingungen zusammenbrachte mit den Kompetenzen der Spirituellen Intelligenz: Es gibt hier viele Entsprechungen.
Fast könnte man meinen, die drei open … sind die Antwort auf die 3 fundamentalen Hürden, die wir Menschen überwinden müssen, um Zugang zu haben zur Kraft der Spirituellen Intelligenz.
Diese 3 Hürden, mit denen wir es immer wieder zu tun haben, sind:
- das zu enge Denken (in entweder-oder statt in sowohl als auch denken)
- die eigenen emotionalen Blockaden (in sich festhängen und sich darum nicht einlassen können auf das, was entsteht)
- ein Mangel an Vertrauen darauf, dass es etwas gibt, was so viel größer ist als wir selbst und das uns trägt (was sich zeigt in der Haltung, kontrollieren zu müssen)
Wenn Menschen diese 3 Hürden genommen haben, haben sie Zugang zu dem vollen Potenzial ihrer inneren Weisheit. Und das ist von unschätzbarem Wert in Veränderungsprozessen. Dann gelangen sie in den Raum des Presencing, wie Otto Scharmer es nennt. Dann sind sie im Hier und Jetzt, frei von Festlegungen, offen für das, was im Moment entsteht. Dann öffnet sich ihnen und in ihnen der Raum, in dem Zukunft entsteht, fast wie von selbst. Sie ahnen, was nötig ist. Sie wissen intuitiv, was jetzt dran ist. Sie können sich einlassen auf die Bewegung, die entstehen will. Presencing erleben sie dann manchmal für einen kurzen Moment, manchmal aber auch als eine größere Phase des inneren Flows, in dem alles scheinbar mühelos an den Platz fällt, an den es gehört.
Mit dieser Haltung in einen Veränderungsprozess gehen, ihn damit Schritt für Schritt gestalten, führt weit über die zu Anfang genannten Unsicherheiten und Fragen hinaus. So wird Veränderung zur Transformation. So kommt das Neue in die Welt, so werden Führungskräfte zu Gestaltenden einer neuen Wirklichkeit.